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Das Vereinsleben krankt an mangelnden Interesse

Bericht aus der Rhein-Neckar-Zeitung vom 3+4. Juli 1999

Vereint im Verein? Diese Frage beantworten immer mehr Vereinsfunktionäre und auch Vereinsmitglieder mit einem wehmütigen Nein. Denn auch am Vereinsleben geht der gesellschaftliche Wandel hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft nicht spurlos vorbei: Die Angebote des Vereins werden genutzt, die Gemeinschaft geht baden.

Das Trillern der Schiedsrichterpfeife gellt über den Platz, das Fußballspiel ist zu Ende. 22 verschwitzte junge Männer, die in den letzten anderthalb Stunden erbittert auf dem Rasen um den Sieg gekämpft haben, verschwinden grüppchenweise in den Duschkabinen und Umkleideräumen. Es gibt kein lautes Siegesgeschrei, nur verhaltener Jubel bei den Gewinnern. Die Verlierermannschaft verschwindet schweigend vom Platz. Etwa 20 Minuten später verlassen die ersten Spieler das Sportgelände, steigen in ihre Autos und fahren einzeln in verschiedene Richtungen davon.

"Ein Wir-Gefühl - So etwas gibt es schon lange nicht mehr", lautet die resignierte Aussage von Hans-Jürgen Steinbrächer, dem ersten Vorsitzenden des Bammentaler Fußballvereins. "Zwei Drittel von den Leuten da draußen auf dem Feld spielen nur wegen des Geldes. Die wollen was verdienen, da geht es nicht um Spaß"

Verdienen können sie allemal, denn zwischen 200-1000 Mark zahlt ein Ortsverein seien Spielern pro Kopf und pro Monat. Es kommt drauf an, wie gut sie sind und in welcher Klasse sie spielen. Zusätzlich erhalten sie auch noch Punkteprämien. Gezahlt wird das ganze von der Industrie und den Betrieben des Umlandes, die darin eine Möglichkeit sehen, für sich zu werben. "Spieler und Positionen werden heute gekauft, da bleibt der kameradschaftliche Aspekt auf der Strecke", lautet das ern¨chternde Resümee von Hans-Jürgen Steinbrächer.

Andere Vereine, die ebenfalls Mannschaftssport betreiben, haben das gleiche Problem: "Den jungen Leuten von heute bedeutet ihr Verein einfach nichts mehr", ist die Schlußfolgerung, zu der Klaus Lentz gekommen ist. Er ist seit 23 Jahren der Vorstand des Gaiberger Turn- und Sportvereins (TSV). "Die sehen den Verein als ein Dienstleistungsbetrieb an, genau wie ein Fitness-Studio. Man geht hin, macht seinen Sport und geht anschließend wieder heim".

Daß das früher nicht so war, daran erinnert Lentz sich noch sehr gut: "Nach dem Training, oder nach dem Spiel, da hat man sich zusammengesetzt und was getrunken. Das Feiern danach hat dann oft länger gedauert als das ganze Training". Und er fügt hinzu: "Die Leute, bei denen heute noch so etwas wie ein Vereinsleben stattfindet, die sind alle schon fast 50 und älter".

Scheinbar haben die Leute auch kein Interesse mehr an den gemeinschaftlichen Unternehmen. Für den letzten Ausflug des TSV, der immerhin 530 Mitglieder zählt, meldeten sich gerade mal 40 Leute an. Letztendlich mitgefahren sind dann sogar nur 21. "So etwas ist heute eben nicht mehr gefragt", meint Klaus Lentz.

Sinkende Mitgliederzahlen und Mangel an Nachwuchs, das sind die Probleme, mit denen die Vereine allgemein zu kämpfen haben. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um den Gesangsverein, den Fußballclub oder die Kleintierzüchter handelt, die Vereinsstatistiken belegen den Rückgang des Interesses, sich dauerhaft einem Verein anzuschließen.

Woran das liegt, darüber gibt es verschieden Ansichten: "Zeit ist heute knapp, da will man nicht mehr so viel in den Verein stecken", so ist die Meinung von Rolf Einecker, der im Bereich Tischtennis aktiv ist.

Der FC-Vorsitzende Steinbrächer sieht das anders: "Die Zeit ist durchaus vorhanden, aber das Freizeitverhalten der Leute hat sich geändert. Wenn es irgendwo Schwierigkeiten gibt, dann wechselt man einfach den Verein". War früher das menschliche Miteinander im Verein von Bedeutung und ging es darum, soziale Kontakte zu knüpfen, so ist dieser Aspekt heute deutlich in den Hintergrund getreten. Die Leute legen mehr Wert auf Erfolg und Leistung, weniger auf soziale Kontakte und Kameradschaft.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der großen Angebotsfülle von Aktivitäten, durch die sich die einzelnen Vereine gegenseitig Konkurrenz machen. "Um Mitglieder zu erhalten, versucht jeder, den anderen zu überbieten; dabei gräbt man sich dann gegenseitig das Wasser ab", so die Erkenntnis das Altfußballers Hans-Jürgen Steinbrächer.

Und etwas verbittert klingt es, als er fortfährt: "Die alten Vereinsstrukturen beginnen sich aufzulösen. Am Ende wird es nur noch kleine Interessegruppen geben, aber keine gewachsene Gemeinschaft."

ps

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