In der Ausgabe 1/99 der Zeitschrift invers waren einige Neuigkeiten über
das Magazin selbst zu lesen. Die meisten geben nicht gerade Anlaß zur
Freude. Aber alles der Reihe nach...
invers
Die invers als eigenständige Zeitschrift wird eingestellt. Sie existiert
weiter als "inhaltlich unabhängiger Bestandteil" der PUBLISHING
PRAXIS (im folgenden PP genannt). Zur Erinnerung: Die invers war ein
DTP-Magazin, das mit Calamus erstellt wurde und auch als einzige Publikation
schwerpunktmäßig über dieses Programm berichtet hat. Andere
DTP-Zeitschriften wie die PAGE oder eben die PP haben Calamus stets ignoriert.
Als der inversmedia Verlag im letzten Jahr die Entwicklungs- und Vertriebsrechte
(für den europäischen Markt) an Calamus SL erwarb, schien dies ein
wichtiger Schritt für die Zukunft des DTP-Programms zu sein. Da erscheinen
die aktuellen Entwicklungen zumindest auf den ersten Blick als Rückschlag:
Zwar soll die invers, wie oben gesagt, sowohl inhaltlich, als auch gestalterisch
unabhängig von der PP geführt werden; die bekannten Redakteure und
Autoren betreuen auch weiterhin den invers-Teil. Desweiteren soll die invers-
Redaktion jeden Monat auch Artikel zur PP selbst beisteuern - das alles
berechtigt immerhin zu der Hoffnung, daß Calamus nun auch einem breiteren
Publikum bekannt gemacht wird. Ein weiterer Vorteil ist, daß die PP im
regulären Zeitschriftenhandel erhältlich ist - meistens zwar auch nur
in umfangreich sortierten Geschäften, z.B. im Bahnhofsbuchhandel, aber
immerhin: Die invers war ja seit geraumer Zeit nur über Abo
erhältlich, nun kann jeder Interessierte monatlich einen Blick in die PP
riskieren, um dann zu entscheiden, ob sicher der Kauf der Zeitschrift lohnt. Auf
der anderen Seite hat sich immer wieder (nicht nur im Atari- oder
Computerbereich überhaupt) gezeigt, daß Fusionen von Zeitschriften
sehr einseitig ausfallen: äber kurz oder lang hat in allen mir bekannten
Fällen die größere Zeitschrift die kleinere
"geschluckt": Nach einigen Ausgaben blieben von der kleineren nur noch
einige wenige Rubriken und vielleicht ein paar Gestaltungselemente übrig.
Wollen wir hoffen, daß wir im Falle der invers gezeigt bekommen, daß
es auch anders geht: Vielleicht bleibt sie uns ja doch auch über
längere Zeit als Bestandteil der PP erhalten. Es wäre schade, wenn mal
wieder ein so ambitioniertes und interessantes Projekt zu Grunde geht. Ich
für meinen Teil werde das Abo wahrscheinlich kündigen: Wie gesagt,
kann ich jeden Monat im Laden überprüfen, ob ich die jeweilige Ausgabe
haben will. Außerdem sehe ich es nicht ganz ein, die Abo-Gebühr
für eine Zeitschrift zu zahlen, die etliche Artikel enthält, die mich
nicht interessieren.
Calamus:
Auch die Neuigkeiten von der Calamus-Font klingen nicht gerade gut: Die
kanadische Firma mgi, die die Rechte an Calamus hält, hat bekanntgegeben,
daß die Weiterentwicklung von Calamus für Windows95/NT endgültig
und offiziell eingestellt wurde. Zur Klarstellung: Der inversmedia Verlag hat ja
nur die Rechte an der *Entwicklung* und dem Europa-*Vertrieb* von Calamus SL,
die Rechte für das *Programm* Calamus *an sich* - gleich, in welcher
Version - hat mgi.
"Ach, kein Windows-Calamus mehr? Was soll mich das
kümmern?", könnte sich da der überzeugte CSL-Anwender fragen
- und das vielleicht zu Recht, wäre da nicht eine ganz bestimmte Passage in
der invers zu lesen: ¯Wie inzwischen bekannt wurde, will mgi den Calamus
nun "für ein paar Millionen Dollar" verkaufen. Da stellt sich
für den SL- Anwender natürlich die Frage, ob dieser Verkauf den
gesamten Calamus (incl. Calamus SL) oder nur den Windows-Calamus betrifft.®
Offensichtlich war diesbezüglich auch keine Stellungsnahme seitens mgi zu
bekommen. Ich bin natürlich kein Kenner des Softwarebusiness, aber
"ein paar Millionen Dollar" scheint mir ein recht hoher Preis zu sein
für ein DTP-Programm, daß im Kampf gegen die Giganten der Branche
höchstens einen Nischenmarkt belegen könnte. Und wenn man bedenkt,
daß blöde Lizenzpolitik seitens einer Atari-fremden Firma auch schon
für die Einstellung von Pure C verantwortlich war, sind eventuelle Sorgen,
daß auch das Aus für Calamus SL bevorsteht, vielleicht nicht ganz
unberechtigt.
Fazit:
Das sind unschöne Aussichten, obwohl ja noch die Chance besteht,
daß sich alles doch noch zum Besten wendet. Hoffen wir darauf... Auch wenn
ich selbst *nicht* mit Calamus SL arbeite, fand ich es doch immer sehr
erfreulich, daß es ein wirklich vollprofessionelles Atari-DTP-Programm gab
- und ich habe immer gehofft, eines Tages mal in den Kreis der SL- Anwender
eintreten zu können. Und was die invers angeht: Ich habe sie immer sehr
gerne gelesen; auch wenn viele Themen für mich als reiner "Hobby-
DTPler" eher von theoretischem Interesse waren. Allein schon die vielen
Gestaltungsideen, die man aus der invers "abgucken" konnte, waren ihr
Geld wert. Nun ja: Sehen wir, was und die Zukunft bringt.
Live long and prosper!
Tobias Jung