Von Hergen Oltmann
Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Mißverständnisse. Ähnlich verhält es sich mit der Geschichte der Firma ATARI, ihrer Geschäfts- und Produktpolitik. Grund genug, um mal einen Blick in die Vergangenheit dieser Firma, ihrer Produkte und allem, was sonst noch damit zusammenhängt, zu werfen.
Heute hat sich ATARI aus dem Computergeschäft zurückgezogen, und es ist nicht zu erwarten, daß es jemals eine Rückkehr von ATARI als Computerhersteller geben wird.
Im Sommer 1996 fusionierte ATARI mit dem Festplattenhersteller JTS und war damit als eigenständige Firma entgültig verschwunden.
Auf diesen Teil der Geschichte der Firma ATARI will ich hier jedoch nicht näher eingehen, da dies bereits in anderen Publikationen getan wurde. Vielmehr will ich einen kleinen Rückblick wagen, in eine Zeit, als es um die Firma ATARI noch besser bestellt war.
Versetzen wir uns also nun in die Zeit des Jahres 1988 ...
Die Welt ahnt noch nichts vom Falcon030 oder Jaguar. Die aktuellen Produkte ATARIs sind: 1040 STF, 520 STM, MegaST 2 und 4. Doch die ersten Vorboten des TT erscheinen am Horizont. So wurde auf der gerade vergangenen CeBIT '88 der Prototyp eines Rechners mit 68030 CPU vorgestellt. Mehr als ein großes klobiges Gehäuse war jedoch nicht zu sehen und dieses hatte, wie wir heute wissen, nicht viel mit dem späteren Aussehen des TT gemeinsam.
Aber zurück zu den etwas handfesteren News der CeBIT '88:
Auf der Messe gab es erstmals die ABAQ (Atari-Transputer-Workstation), einen Rechner mit Multiprozessorarchitektur, zu sehen. Als Betriebssystem kommt Helios zum Einsatz, welches u.a. von Tim King, einem der Entwickler des Amiga OS, stammt. Die Hardware wurde nicht von ATARI, sondern von der englischen Firma Perihelion entwickelt. Wie man heute weiß, ist jedoch auch die ABAQ bzw. ATW zu einem toten Zweig der ATARI-Hardware-Evolution geworden.
Anders ist es dem Wechselplattenlaufwerk mit 44MB Speicherkapazität unter dem Namen Megafile 44 ergangen. Die Zielgruppe, DTP- und Grafikanwender, nahm das Gerät, das auf einem SyQuest 555-Laufwerk basierte, begeistert an. Und auch das vorgestellte Optofile CDAR504 hat zumindest eine Erwähnung als Vorreiter im Bereich der CD-Rom Laufwerke verdient, auch wenn es ein, für heutige Verhältnisse, etwas merkwürdiges Aussehen hat: eine Art Videorekorder mit dem optischen Liebreiz einer Plattenbausiedlung.
Und was gab es noch?
Es wurden zwei neue ATARI-Vertretungen in Spanien und Skandinavien eröffnet, man feierte den 250.000sten in Deutschland verkauften ST, plante die Errichtung eines Technologiezentrums in Braunschweig und hatte Schwierigkeiten, an die begehrten Blitterchips zu kommen.
Auf der Musikmesse Frankfurt wurde das Programm Notator der Firma C-Lab vorgestellt, das als erstes Sequencer-Programm eine Notendruckfunktion enthielt.
GFA-Systemtechnik stellte die Version 3.0 ihres Basic vor, und erregte damit einiges Aufsehen. Unruhe erzeugte jedoch auch die Meldung über einen Virus auf der Diskette zum Buch "GFA-Basic: 3.0", welcher sich schnell unschädlich machen ließ. Es sind aber immerhin ca. 1400 "verseuchte" Exemplare der Disk in den Handel gelangt.
Für die Statistik-Freaks unter den Lesern zum Abschluß noch die damaligen Preise für Atari-Hardware:
1040 STF mit SM124: | ca. 1.500,00 - 1.600,00 DM |
520 STM mit Maus: | ca. 530,00 - 580,00 DM |
SM 124: | ca. 400,00 - 470,00 DM |
SC 1224: | ca. 870,00 DM |
SH 205 (20 MB): | ca. 1.200,00 DM |
Wie man sieht, hat sich zu heute vieles geändert. Was sich in den Sommermonaten des Jahres 1988 getan hat, gibt es in der nächsten ATOS zu lesen.