Von Volker Ricke
Der Laie erwartet es und der Fachmann setzt es voraus: In der kurzlebigen Computerwelt müssen zu den großen Computermessen Comdex und CeBIT einfach innovative oder gar revolutionäre Neuerungen zu finden sein.
Was aber war davon auf der diesjährigen CeBIT zu verspüren? Nichts. Sicher, die Prozessorhersteller schmücken sich gerne mit immer höheren Taktraten ihrer Serienmodelle und streuen gezielt Informationen über die gigantische Taktung ihrer Labormuster.
Auch Grafikkartenhersteller beweisen, daß nichts so veraltet wie eine drei Monate alte Grafikkarte ist, und erreichen mit den neuen leistungsfähigeren 3-D-Chipsätzen vor allem Spielefreaks. Video-Conferencing über das Netzwerk oder Sprachdiktiersysteme? Alles schon dagewesen, wenngleich sich die Technik nun langsam mehr dem Benutzer anpaßt, statt das Gegenteil vorauszusetzen.
Als Konsumgut wird der Computer jedoch verstärkt über den Preis an Otto Daumann und Tina Normalverbraucher gebracht. Da die heimische Textverarbeitung, etwas Tabellenkalkulation, Internet-Surfen und das Gestalten von Glückwunschkarten auch mit den leistungsschwächsten heutigen Rechnern problemlos zu bewerkstelligen ist, werden immer mehr Computer im Niedrigpreissegment verkauft. Nicht zu unterschätzen sind dabei die Stückzahlen, die zwischen Gemüsestand und Käsetheke in Supermärkten abgesetzt werden. Was mit Haartrocknern und portablen Fernsehern aus koreanischer Fertigung begann, hat sich auf das in der Handhabung weit problematischere Produkt Personalcomputer ausgedehnt.
Der Prozessorgigant Intel verschlief ein wenig den Markt, kümmerte sich mehr um die prestigeträchtigere x86-Leistungsspitze, statt wie die Konkurrenz von AMD, Cyrix oder IBM günstiger zu produzierende kompatible Einsteiger-Prozessoren anzubieten. Von ersten Einbußen gewarnt, kündigte Intel jetzt verstärkte Bemühungen um die Einsteiger-Klasse an. Die Aufsplittung des Marktes in Einsteiger- und Profi-Klasse scheint somit bevorzustehen und dürfte sich auch auf den Preis auswirken - leistungsstärkere Hardware wird sich dabei aus dem wenig lukrativen Kampfpreissegment entfernen. Bei den Billig-Rechnern schweben einigen Experten hingegen schon Softwarepakete mit beigelegtem Minicomputer vor Augen ...
Nach wie vor jedoch ist der PC ein für den Benutzer niemals einfach zu konfigurierendes oder zu bedienendes Gerät. Windows 98 wird in dieser Hinsicht nicht viel verbessern (nach dem "Plug" wird vermutlich ein "Pray" wie gehabt notwendiger als ein "Play" sofort möglich sein), das MacOS von Apple ist da traditionell zwar einfacher zu handhaben, läßt den Anwender aber ebenfalls gelegentlich im Regen stehen.
Die Selbstverständlichkeit, mit der heutzutage eine Mikrowelle, ein Geschirrspüler, Fernseher oder ein Videorekorder bedient werden, die ebenfalls allesamt von Computern gesteuert werden, hat sich auf den "persönlichen" Computer jedenfalls noch nicht übertragen, was nicht so recht für das Konstrukt aus Hardware und Betriebssystem spricht.
Für den Einsatz in Unternehmen propagieren wie auch im letzten Jahr Firmen wie Sun oder Oracle die Network Computing Platform. Dieser Netz-PC, der unabhängig von Hardware- und Betriebssystem-Anbieter ausgewählt werden kann, solange das Produkt die NC-Standards einhält, ist preisgünstig zu produzieren und greift mit seinem Java-basierten Betriebssystem auf Anwendungen zu, die auf Servern im Netzwerk verteilt abgelegt sind.
Die Zugangsberechtigungen lassen sich einfach steuern (über Kennung und Paßwort oder Chipkarten), im System verstellen kann der unberechtigte Anwender nichts, die Unternehmen machen sich unabhängig von den Launen der Unternehmen Microsoft und Intel. Auf dem Stand des weltgrößten Datenbankherstellers Oracle wurde bereits offen vom abzusehenden Ende der Client/Server-Umgebung gesprochen, in der aus PC-Netzwerken heraus auf File- und Datenbankserver zugegriffen wird. Der Betreuungsaufwand der PCs und die Notwendigkeit häufiger Hardware-Neuanschaffungen, soll aktuelle PC-Software verwendet werden, ist vielen DV-Verantwortlichen ein Dorn im Auge, so daß die NC-Ideen offene Ohren finden.
Vermutlich werden wir fertige Lösungen aber erst zur CeBIT 1999 vorfinden, für die dann auch die Hamburger Star Division mit dem NC-tauglichen Star Office 5 ein Eisen im Feuer haben wird.
Bevor ich aber vergesse, daß ATOS ein Atari-Magazin ist - diesmal waren weder ASH im Apple Power Park noch R.O.M. bei IBM vertreten. Der Bericht von der Atari-Messe wird daher etwas mehr TOS-Futter hergeben :-)