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ATOS-Magazin Oktober/November 1997
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Where do you want to go today?

von Volker Ricke

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Der US-amerikanische Computerhersteller Apple braucht sich um mangelnde Medienwirksamkeit nicht zu sorgen. Mehrere Verlustjahre, eine nachlässige Weiterentwicklung des Betriebssystems und abspringende Firmenkunden ließen Spekulationen um ein baldiges Ende des traditionsreichen Herstellers mit dem bedienerfreundlichen Betriebssystem freien Lauf.





Big Brother is greeting you ...

Auf der diesjährigen MacWorld platzte dann eine mittlere Bombe. Während der Eröffnungsrede von Apple-Firmengründer Steve Jobs erschien auf einmal auf einer Großbildleinwand Microsoft-Chef Bill Gates und wirkte dabei wie der "Big Brother" im Orwell-Roman "1984". Kurz zuvor hatte Jobs unter lauten Proteststürmen angekündigt, daß alte Zwistigkeiten beigelegt und nun eine enge Zusammenarbeit mit dem langjährigen Feindbild Microsoft begonnen werden solle.

Spätestens mit dem Auftauchen von Bill Gates hatte mancher Apple-Jünger das Gefühl, dem Teufel persönlich ausgeliefert zu sein.

Bill Gates verlor ein paar nette Worte über Apple und die zahlreichen Microsoft-Kunden unter den Apple-Anwendern (das Office-Paket ist auch auf dem MacOS Marktführer). Was an weiteren Verlautbarungen folgte, wurde in weltweiten Schlagzeilen als Zeichen interpretiert, daß Marktführer Microsoft nun auch den letzten ernsthaften PC-Systemrivalen inhaliert. Dabei ging es zunächst einmal um die Absichtserklärung, daß Microsoft nicht-stimmberechtigte Apple-Aktien im Werte von 150 Millionen Dollar erwerben wird. Im Gegenzug verzichtet Apple auf die weitere Verfolgung der seit Jahren schwelenden Streitigkeiten wegen möglicher Patentverletzungen (es gab einmal eine Zeit, in der Apple gegen jedes Computersystem vor Gericht zog, das in ähnlicher Form wie das MacOS Features wie Mouse-Bedienung und Window-Technik anbot).

Microsoft wiederum versprach, auch in den nächsten Jahren Mac-Portierungen der aktuellen Office-Pakete anzubieten. Daß zukünftig der Internet Explorer als Standard-Web-Browser auf Apple-Rechnern installiert sein wird, paßt ebenso in den neuen Schmusekurs wie die Ankündigung eines stärkeren gegenseitigen Technologie-Austauschs und die geplante Harmonisierung der Programmierschnittstellen insbesondere auch hinsichtlich der JAVA-Implementierung.





Was aber bedeutet die überraschende Zusammenarbeit?

Mögliche Beweggründe für Microsoft:

  • Kartellbehörden: Microsoft hat ein gewisses Interesse an einem vitalen Betriebssystem-Konkurrenten. Die US-Kartellbehörden würden einem Monopolisten mehr Hemmschuhe in den Weg legen als dem Marktführer. Die Finanzspritze greift der strauchelnden Firma Apple PR-trächtig zum richtigen Zeitpunkt unter die Arme.
  • Internet-Technologie: Einer der gewinnversprechenden Zukunftsmärkte ist die Internet-Technologie. Die Abstimmung der Integration von Betriebssystem-Schnittstellen in die JAVA-Implementierung sichert nicht nur die Kompatibilität zweier wichtiger Plattformen, sondern ist auch ein Schlag gegen JAVA-Entwickler SUN, der unter dem Schlagwort "Pure JAVA" gegen Microsoft-eigene Erweiterungen zu Felde zieht. Wenn sich Microsoft und Apple einig sind, könnte der Standard plötzlich mit Hilfe der Marktposition verändert werden. Zweiter Microsoft-Gegner ist Netscape: Mit der werksseitigen Installation des Internet Explorers auf den neuen Macs könnte der Microsoft-eigenen HTML-Auslegung Aufwind verschafft werden. Noch-Marktführer Netscape sieht es mit Besorgnis.
  • Betriebssystem-Technologie: Apple mag PR-mäßig nicht gerade die Granate sein, in diversen Betriebssystembereichen ist die Firma mit dem angebissenen Obst jedoch absolut up to date. Die Nutzung von Technologien des Konkurrenten (die erst durch Beilegung des Rechtsstreites möglich wurde) erspart so manche teure Eigenentwicklung.
  • Office-Paket: Durchaus feste Gewinne fährt dank mangelnder durchsetzungsfähiger Konkurrenz das Office Paket für das MacOS ein. Mit der weiteren Portierung sichert sich Microsoft auch zukünftig einen relativ finanzkräftigen Kundenstamm. Die kommende Version "Office 98" soll auch wieder im Gegensatz zur halbherzig portierten aktuellen Fassung "MS Office 4.2.1" dem Apple-"Look-and-feel" entsprechen.





Vorteile für Apple

Was aber hat APPLE von den Vereinbarungen?

  • PR-Effekt: Die geplanten Aktienkäufe sorgten für weltweite Publicity, die Kaufsumme bringt Geld in die Firmenkasse, das Apple für die Plazierung des zukünftigen NEXT-basierten MacOS gut brauchen kann.
  • Firmenkunden: Viele Firmen machen den Kauf neuer Computerhardware davon abhängig, daß "standardisierte" (sprich: WORD- und EXCEL-kompatible) Office-Software verfügbar ist. Ein aktuelles MS Office-Paket mit Weiterentwicklungsversprechen läßt so manchen Großkunden mit besserem Gewissen in Apple-Hardware investieren.
  • Software: Eine Vereinheitlichung der Programmierschnittstellen erleichtert den Softwarefirmen die Portierung von Windows-Programmen auf das MacOS, so daß auf eine größere Software-Auswahl zu hoffen ist.





Aus für CHRP und Clones von Power Computing, Motorola und IBM

Inzwischen ist es offiziell, daß sich Power Computing (Lizenz wurde von Apple zurückgekauft), Motorola (Starmax-Reihe) und IBM (als Erteiler von Sub-Lizenzen und Anbieter von Fertigungs-Knowhow für Mac-Kompatible) zum Jahresende aus dem Mac-Markt zurückziehen. Sehr schwierige Lizenz-Verhandlungen (Apple wollte deutlich höhere Lizenzgebühren als bisher und den Nachweis von Markt-Strategien, die auf eine Ausweitung des Mac-Marktes statt auf Konkurrenz zu Apple abzielen) und wohl nicht zuletzt die negative Haltung des zurückgeholten Apple-Mannes Steve Jobs zu den Clones beendeten die für den Käufer angenehme (und für Apple teure) Konkurrenzsituation.

Einziger verbliebener Cloner ist Umax, das in Taiwan beheimatete Unternehmen mit mehreren Einsteiger-Modellen unterhalb der Apple-Palette und einer starken Expansion im asiatischen Raum erhielt zunächst bis Mitte nächsten Jahres die begehrte Lizenz für MacOS 8, das weltweit auf den aktuellen und zukünftigen Umax-Entwicklungen mit Ausnahme von CHRP-Rechnern eingesetzt werden darf.

Das Aus für den CHRP-Standard (Common Hardware Reference Platform, eine PowerPC-basierte, mit zahlreichen Standard-Bauteilen versehene Rechnergattung, die von Apple, Motorola und IBM definiert wurde) als preiswerte und leistungsfähige MacOS-Plattform rettet Apple die Einflußmöglichkeiten auf die vom MacOS unterstützte Hardware. Offensichtlich wollte Apple das Schicksal vermeiden, ähnlich wie einst IBM mit dem INTeL-basierten PC eine Rechnergattung zu definieren, die dann von Fremdanbietern in leistungsfähigerer und preiswerterer Ausführung vermarktet wird. Ein reines Software-Haus wie Microsoft jedoch kann und will Apple nicht werden.

Die Weiterentwicklung des PowerPC-Prozessors (dem Experten einige Überlegenheit gegenüber den INTeL-kompatiblen Prozessoren bescheinigen) haben Motorola und IBM trotz aller Zwistigkeiten mit Apple übrigens öffentlich zugesagt. Schlimmer noch als die Zusammenarbeit mit Microsoft ist für viele Mac-Anhänger die Vorstellung eines Apple "Pro Macintosh" mit "Pentium-Inside"-Aufkleber ...





Gute Zeiten mit Rhapsody?

Nachdem die von Ex-Chef Amelio in das Plattform-Boot geholte Hardware-Konkurrenz ausgeschaltet oder geschwächt ist, stehen die Zeichen gut für Apple - vor allem auch mit dem Hintergrund einer nach ersten Testberichten (zum Beispiel auch im Vergleich mit Windows 95 in der Oktober-Ausgabe der c't) gelungenen aktuellen MacOS Version 8 und einer anscheinend erfolgreich und termingerecht verlaufenden Entwicklung des auf dem NEXT-Kernel aufbauenden neuen Betriebssystems "Rhapsody", dessen erste Version Anfang 1998 veröffentlicht werden soll. MacOS soll auch zukünftig für den Heimanwender angeboten und weiterentwickelt werden, während "Rhapsody" (übrigens auch in einer Version für INTeL-Rechner, so daß sich Apple auf dieser Plattform doch wieder Konkurrenz heranzüchtet ...) zunächst vor allem für den professionellen Anwender bestimmt ist.

Ob allerdings der durch die Lizensierungs-Querelen ausgelöste Vertrauensschwund bei den potentiellen Käufern überwunden werden kann, wird die nähere Zukunft zeigen.



Volker Ricke


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Letzte Aktualisierung am 2. Oktober 1997

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