ATOS - Around The Operating System Das ATOS-Magazin 5/96

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Träume





Wie lebt es sich mit einem toten System? Viele Atarianer kennen die mitleidig-spöttelnden Äußerungen der PC-User, die nicht glauben wollen, daß man immer noch an seinem guten alten Atari festhalten will.

Zur Alternative wurde plötzlich Apples Macintosh-Computer, nachdem das Multitasking-Betriebssystem MagiC zunächst für die 68030/68040-Macs angeboten wurde.

Apple-Händler mußten sich auf die ganz neue Klientel der Atari-Freaks einstellen. Im Gegenzug lernten Atarianer ganz neue Händler-Philosophien kennen ...

Höker in Nadelstreifen

                von Volker Ricke

Gibt es eigentlich den typischen Atari-Händler? Vielleicht ist mein ortsansässiger Händler so einer. Er betreibt einen kleinen Laden im Erdgeschoß eines Altbaus in Reichweite des Uni-Viertels. Dieser Laden ist immer gerammelt voll, hier kauft die kleiner gewordene Atari-Gemeinde nicht nur Hard- und Software, sondern trifft sich auch zum Fachgespräch, übergibt dem Lötkolbenartisten aus der Werkstatt Geräte zur Reparatur oder zum Aufrüsten. Das Du ist schnell auf den Lippen, alles macht hier den Eindruck eines sympathisch-kreativen geordneten Chaos.

In eine ganz andere Umgebung geriet ich, als ich anfing, mich für den Mac zu interessieren. MagiCMac machte es möglich, daß der Atarianer einen Mac als schnelleren TT einsetzen konnte. So sah ich auf Messen den Apfel-Rechner auf einmal mit ganz anderen Augen, vor allem, als die Preise der Performas rapide in die preiswerte Richtung abrutschten.

Meine Informationstour führte mich in die Zentrale einer namhaften Händlerkette. Schon meine telefonische Bitte um Auskunft wurde von einer Telefon-Fee abgefangen, die sich redliche Mühe gab, mir einen kompetenten Ansprechpartner zu vermitteln.

Dieser gab mir nach der ersten Preisauskunft einen Beratungstermin vor Ort. Ich erschien also vor dem Foyer des Systemhauses, betrat über eine geschwungene Außentreppe die Vorhalle und blickte in die strahlend blauen Augen der attraktiven Empfangsdame, die mir - angesichts der an beiden Ohren klebenden Telefonhörer - erst einmal ein entschuldigendes »Bitte warten« zuwarfen.

Die Zeit überbrückte ich damit, mich in dem Ausstellungsraum etwas umzusehen. Der Spiegel an der Rückwand des Raumes enthüllte gnadenlos, daß ich hier völlig fehlgestylt war. Weder konnte ich Krawatte und Anzug vorweisen, noch mich mit bewußt unkonventionellem Schmuddel-Look als kreativen Layouter selbstdarstellen - ich fiel unter der sonstigen Klientel dieses Apfelpalastes auf wie wie ein grauer Hund in einem Rudel buntkarierter und nadelgestreifter Wölfe.

Das Paar hellblau augenleuchtender Lichtstrahlen der Fee hinter dem Empfangstresen wies auf den herbeieilenden nadelgestreiften Herrn: »Bitte, Herr Ricke, Herr E. wird Ihnen Ihre Fragen beantworten!«

Der Herr im Outfit eines Bankers bei Kreditverhandlungen mit Baulöwe Schneider begrüßte mich und bat um Preisgabe meiner Wünsche. Das Interesse an einem Performa 630, einem absoluten Einsteiger-Mac also, ließ sein Mienenspiel genauso ungerührt wie der akribisch gebundene Krawattenknoten bleiben.

Technische Fragen wie die nach der maximalen Bildschirmauflösung wußte der freundliche Herr mit »Apple 14 Zoll und Apple 16 Zoll« ebenso souverän wie - für Nicht-Mac-Insider - nichtssagend zu beantworten (oder hätten Sie gewußt, daß 14-Zoll für 640x480 und 16-Zoll für 832x624 steht? Ich auch nicht ...).

Ich nutzte die Gunst der Sekunde und fragte ihn, ob und wie es möglich ist, einen Standard-VGA-Monitor an dem Mac anzuschließen. Leicht verunsicherte Antwort: »Warum nehmen Sie keinen Apple-Monitor?«

Auch der Wunsch nach dem Anschluß eines vorhandenen handelsüblichen Modems an dem neu zu erwerbenden Computer ließ meinen Kundenberater zunächst einmal nachgrübeln - »Bei unseren Modems ist immer ein Mac-Anschlußkabel dabei ...« - um ihm nach einer telefonischen Anfrage bei der Technik-Abteilung zu entlocken, daß ein solches Kabel durchaus bestellt werden könne.

Die Technik-Abteilung konnte auch einen VGA-Adapter für den vorhandenen "DOS"-Monitor (in der Apple-Welt ist alles mit einer nicht am Apple vorhandenen Schnittstelle ein DOS-Gerät) beisteuern.

Inzwischen war mit der Demonstration des Macs und der Klärung der technischen Fragen eine gute Stunde vergangen. Ich ging mit dem Angebot, beim nächsten Besuch meinen "DOS"-Monitor mit dem VGA-Adapter am Mac testen zu dürfen und einem guten Paketpreis-Angebot nach hause.

Da das Angebot trotz intensiver Beratung nicht teurer war als jenes eines Discounters, wurde ich tatsächlich Kunde der noblen Vertriebsgesellschaft und Besitzer eines schnelleren Atari TT mit integriertem Mac-Emulator und TV-Karte ...

PS: Kennen Sie übrigens die zwei größten Vorurteile gegenüber Mac-Usern?

  1. Mac-User haben mit Technik nichts am Hut.

  2. Mac-User laufen mit Scheuklappen gegenüber anderen Computer-Welten durch die Gegend.

Diese Vorurteile entbehren selbstverständlich jeglicher Grundlage.

VR


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