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ATOS - Around The Operating System Das ATOS-Magazin 3/96

Spielzeugrechner

Eine Geschichte, die das ATARI-Leben schrieb:





ATARI-Rechnern wird nur zu gern das Prädikat eines Spielzeugrechners angehängt. Genau dieses bekam ich unlängst auch von einem Kunden zu hören, zu dem ich meinen Mega 2 (auf 4 MB mit 16 Mhz HyperCache) nebst SM 124 reinschleppte. Ich plane damit seine Treppe direkt bei ihm vor Ort mit meinem ATARI und meiner selbstgeschriebenen CAD-Software unter seiner Mithilfe! Macht immer riesigen Eindruck bei den Kunden (übrigens: Der Aufwand ist gerechtfertigt, wenn man überlegt, daß ich an so einer Treppe üblicherweise zwischen 5 und 15 Kilomark verdiene). Ich schlepp also die beiden Teile (Comp und Mon) rein und schließe selbige an sein Stromnetz an. ATARI prangt beim Booten auf dem weißen Schirm und der Kunde fragte lächelnd:

»Mit einem Spielzeugrechner?« -

»Ja klar« sag ich, »was haben Sie denn an Hardware?« -

»Na, einen Pentium mit 133 Mhz, 8 MB RAM, 1 GB Platte und W95!« -

»Zu langsam und zu klein!« sag ich dem verdutzten Kunden. -

»Wie bitte?« -

»Doch, ist so! Sie haben 8 MB Speicher? Dann drehen Sie doch mal bitte Ihren virtuellen Speicher auf der Platte auf 0 Bytes runter!« -

»Das geht doch nicht,« meint er, »den brauch ich, sonst kann ich nach dem Booten nicht vernünftig unter W95 arbeiten!« -

»Treten Sie doch mal näher, ich zeig Ihnen mal, wie das hier auf dem 'Spielzeugrechner' mit nur 4 MB ohne virtuellem Speicher und mit 16 Mhz abläuft. Bedenken Sie bitte, daß ich keine Platte dabei habe, sondern nur ein DD-Drive!« (nicht mal HD!)

Ich boote also nochmal neu, diesmal jedoch ohne Autoordner und ACCs, also auch ohne NVDI und das recht schnell, wie der Kunde selbst eingesteht. »Sehen Sie, lieber Herr D., das ist jetzt ein Desktop, mit dem man schon ähnlich viel wie mit Ihrem Desktop unter W95 machen kann. Man hat Icons für Dateien und Pfade (gibt's das auch für Pfade unter W95?), kann im Fenster verschiedene Darstellungsarten wählen, Anwendungen anmelden, parallele Prozesse laufen lassen usw. und das alles mit einem kleinen 4 MB Rechner ohne Platte und virtuellem Speicher!« -

»Jaaa, aber dieses System frißt Ihnen doch jetzt den ganzen Speicher weg. Was wollen Sie denn jetzt noch starten können? Und mit welcher Geschwindigkeit?« -

»Nun, erstens besteht unsere Treppensoftware nur aus einer Datei mit 152 KB und zweitens: schauen Sie doch bitte mal hier in diesen Dialog:« Ich klicke 'Desktop-Konfiguration' an und zeige ihm unten das Feld 'freier Systemspeicher:' »Sehen Sie, Herr D., das sind die 3.9 Mio von 4.1 Mio Bytes, die wir jetzt für unsere Soft haben, aber seien Sie versichert: soviel brauchen wir wirklich nicht, da reichen 500 kB + 152 kB Programmcode!« -

»Das, äh, das, das glaub und versteh ich irgendwie nicht ganz! Ihr Betriebssystem braucht nur 200 KB?«, meinte der Kunde »Sie haben doch sicher irgendwas vergessen, oder?« -

»Gut, Sie haben nicht ganz unrecht«, meine ich, »normalerweise boote ich mit einer viel zu großen 1400 KB-RAM Disk, in die ich gleich unser PRG und einen Editor (58 KB, TEMPUS) von der Disk kopiere, außerdem noch einen Grafikausgabenbeschleuniger (NVDI) und ein paar kleine residente Programme (ACCs) wie Mausbeschleuniger und Laufwerksumleiter (von C:\ auf A:\), unsere komplette Datenbank (1ST_ADRESS) etc., aber das braucht alles zusammen nicht mehr als 1800 KB!« -

[Kunde mehr als erstaunt, aber immer noch zweifelnd] »Da bin ich jetzt aber mal gespannt, ob und wie schnell Ihr 152-KB-Programm dann noch arbeitet und was das alles kann!« -

Ich boote also mit meiner 'normalen' Konfiguration hoch und zeige ihm dann schnell nochmal den freien Systemspeicher von 2.14 Mio Bytes, bevor ich unser Treppenprogramm in einer 1/4 Sekunde starte (Kunde hat schon mental Tränen in den Augen).

Ich gebe rasch seine Umgebung ein (Wände, Fenster, Türen, Treppenloch, ein paar Möbel usw.), Zeitdauer ca. 5 bis 10 Minuten. »Schaffen Sie das auch so schnell mit Ihrem COREL DRAW oder CADDY oder AUTOCAD oder was immer Sie auch haben?« -

»Ich glaube nicht, würd ich mal vermuten.« -

»Na egal. Vielleicht noch ein Wort zur Geschwindigkeit. Beim Eingeben haben Sie vielleicht bemerkt, daß ich mit ALT '>' wegzoome und mit SHIFT '>' heranzoome. Ich darf Ihnen sagen, daß wir zwischen den Screenaufbauten Warteroutinen einbauen mußten, damit uns, auch auf diesem 'lahmen Spielzeugrechner', nicht die Umgebung 'davonrennt' oder 'ins Gesicht springt'. Diese Warteroutinen stellen sicher, daß beim Zoomen auf verschieden schnellen Rechnern die Zoomgeschwindigkeit immer gleich ist!« -

»Ich begreif das nicht. Wenn ich's nicht mit eigenen Augen sehen würde, dann würd ich's nicht glauben!« -

»Glauben Sie es ruhig! Wenn wir unsere Sofware auf W3.11 oder sogar auf W95 anpassen müßten, würde sie bei gleichem Komfort automatisch 20 x so groß und wohl um den gleichen Faktor langsamer werden. Wir haben das probeweise getestet. Das heißt, wir bräuchten mindestens einen Rechner wie Ihren und dann wäre nicht sicher, ob wir nicht immer noch Geschwindigkeitsverluste in Kauf nehmen müßten!« -

»Was kostet Ihr Computer, so wie er da steht, Herr Buthe?« -

»Ach, das ist ein altes Ding! Das kriegen Sie (nur) gebraucht mit diesem Monitor für 200-300 DM.« -

Kunde schielt zu seinem Pentium und rechnet wohl im Geiste sein Zeug zusammen.

Der Rest der Unterhaltung ist ohne jegliche Bedeutung, wackelt aber gesamthaft schwer an den Grundfesten des Computerweltbildes meines Kunden ...

Das war mal ein Auszug aus dem richtigen Leben, nichts war theoretisiert oder übertrieben, ehrlich!

So geht es mir immer wieder mal, wenn ich mit meinem 'Spielzeugrechner' bei Kunden auftauche.